Schädel X

In den Kellern deutscher Universitäten und Museen lagern tausende Schädel aus aller Welt, oft aus den ehemaligen Kolonien. Zum überwiegenden Teil entstammen diese Schädel einem Unrechtskontext, sie wurden ausgegraben oder von den Leichen hingerichteter „Aufständischer“ abgetrennt und als Trophäe nach Deutschland verschickt. In anthropologischen Instituten betrieben Wissenschaftler Forschung an diesen Schädeln zur Untermauerung der Rassenlehre. Berlin wurde mit Rudolf Virchow und Felix von Luschan zum Zentrum der Schädelsammler.

100 Jahre später mehren sich Forderungen nach einer würdevollen Behandlung und Restitution dieser Schädel an die Nachfahren. Zögerlich beginnen Universitäten und Museen mit der Aufarbeitung dieses dunklen Kapitels ihrer Geschichte. Die erste offizielle Rückgabe von Herero- und Nama-Schädeln an Namibia entwickelt sich zum diplomatischen Desaster. Die Provenienzforschung gestaltet sich schwierig. In den wenigsten Fällen können die Schädel einem Individuum zugeordnet werden. Und es stellt sich die Frage, ob bei einer wissenschaftlichen Untersuchung zur Herkunft der menschlichen Überreste diese nicht erneut entwürdigt werden.

Ein Schädel bildet das Zentrum der Lecture-Performance. Zwei biografische Geschichten kreisen um ihn. Sie führen von Tansania und Deutschland über Archive, Konsulate, Schlachtfelder und Labore durch die deutsche Kolonialgeschichte ins Innerste des eigenen Schädels. Mit (medizin-) historischen Dokumenten und O-Tönen verbinden sie sich zu einer Irrfahrt zwischen Wissenschaft, Politik und Theater.

Eine Flinn Works Produktion

Von und mit Konradin Kunze (Konzept, Recherche und Performance), Sophia Stepf (Regie), Andi Otto (Sound Design), Jürgen Salzmann (Video Design), Marcello Lussana (Technik), ehrliche arbeit – freies Kulturbüro & Helena Tsiflidis (Produktionsleitung), Mnyaka Sururu Mboro, Isaria Anael Meli, Upendo Moshi & Gerhard Ziegenfuss (Expert*innen)

Gefördert von Senatsverwaltung für Kultur und Europa, Fonds Darstellende Künste e.V., Hessisches Ministerium für Wissenschaft und Kunst, Kulturamt der Stadt Kassel

In Koproduktion mit Sophiensæle Berlin

Termine

Sophiensaele Berlin: 4. (Premiere) - 7. Mai 2016 / Museum für Sepulkralkultur Kassel: 27. & 28. Mai 2016 / Landesmuseum Hannover: 5. & 6. November 2016 / Goethe-Institut Tansania, Dar es Salaam: Januar 2017 / Performing Arts Festival Berlin, Tieranatomisches Theater der HU Berlin: 15. - 17. Juni 2017 / MADE Festival: Museum für Sepulkralkultur Kassel: 27. September 2017 / Theater im G-Werk Marburg: 3. November 2017 / Kulturwerkwochen Schlüchtern: 15. November 2017 / Museum für Völkerkunde Hamburg: 16. - 18. Januar 2018 (gefördert von der Rusch-Stiftung) / Theater Bremen Brauhauskeller: 19. & 21. Januar 2018 (gefördert von der Heinrich Böll-Stiftung Bremen) / Freiburg Festival, E-Werk Freiburg: 12. & 13. Juni 2018 / Konferenz „Dead Images“: University of Edinburgh: 30. Juni 2018 / Zeichensaal Uni Witzenhausen: 8. September 2018 / Tieranatomisches Theater der HU Berlin: 26. Oktober, 3. & 9. November 2018 (gefördert von der Rusch-Stiftung) / Staatstheater Nürnberg: 16. & 17. November 2018 / Württembergischer Kunstverein: 29. November 2019 

Presse

Atmosphärisch dichter Doku-Krimi mit durchaus komischen Elementen

Deutschlandfunk Kultur

Kunzes Performance knüpft an eine aktuelle Debatte an. Künstlerische Interventionen wie Schädel X zeigen: das Sammeln, Forschen und Ausstellen von Körpern war nicht nur prägend für das Verständnis der ‚unterlegenen Rassen‘, es machte die Wissenschaft und das Ausstellen zu einer dominanten Kulturtechnik in der Begegnung mit dem anderen.

Süddeutsche Zeitung

The soothing melodies of Skull X are inseparable from the tumult around it, embodied by both the intricate, irretrievable context of its acquisition and the resounding significance of its repatriation. Despite its leading white-male narrator, Schädel X passes on postcolonial pleas for indemnity and atonement that should be heard at last. After an hour and a half of thrilling investigation, we still don’t know where the skull comes from. At least, its deathlike aesthetic has now become familiar, human.

Potsdam Postkolonial

Der Schauspieler liefert eine ebenso eindringliche wie verstörende Performance. (...) „Schädel X“ allerdings macht klar: Der Versuch, das Ungeheuerliche auszusitzen, wird scheitern. Nachfahren und politisch Engagierte wird man künftig auch dank der Arbeit von Flinn Works nicht mehr ignorieren können.

NDR

Kunze kommt mit den Mitteln der Kunst und des Theaters weiter als so mancher Provenienzforscher. Er stößt einen lange überfälligen Diskurs an.

Hamburger Abendblatt

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